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Das "Massaker von Kana" von Johannes Gerloff (Jerusalem)

01.08.2006zurück
"Aus Respekt für die Seelen unserer unschuldigen Märtyrer und die Überreste unserer Kinder, die unter den Trümmern von Kana begraben liegen, fordern wir unsere libanesischen und arabischen Brüder und die ganze Welt auf, vereint den israelischen Kriegsverbrechern ins Angesicht zu widerstehen." Bar jeder Diplomatie schrie der libanesische Premierminister Fuad Siniora am Sonntagvormittag in einer Fernsehansprache seine Verzweiflung in die Welt hinaus.

Die Tatsache, dass mindestens 57 Menschen im südlibanesischen Kafr Kana durch einen israelischen Bombenangriff ums Leben kamen, ist unbestritten. Die Fernsehbilder, die dokumentieren, wie Kinderleichen von Rotkreuzhelfern weggetragen werden, sind Herz zerreißend. Der emotionale Aufschrei des libanesischen Premierministers ist verständlich - und jeder Mensch, der Zeuge des Dramas von Kana werden musste, und sei es nur über den Umweg der elektronischen Medien, muss mitschreien. Neutrales, objektives, sachliches Schweigen ist unmenschlich, wenn kleine Kinder von Bomben zerrissen werden.

Aber kann engagiertes Mitleid ein vernünftiges Urteil darüber, wie es zu dem Blutbad gekommen ist, ersetzen? Das "Kriegsverbrechen von Kana" hat keinen Beobachter erstaunt. Erstaunlich war vielmehr, dass die Welt neunzehn lange Tage warten musste, bis sie ihr "israelisches Kriegsverbrechen" mediengerecht geliefert bekam. Bemerkenswert ist, dass bei den Hunderten von Angriffen, die die israelische Luftwaffe in den vergangenen drei Wochen geflogen hat und ebenso vielen Tonnen hoch wirksamen Sprengstoffs, die sie dabei über dem Libanon entladen hat, nicht Tausende von Menschen ums Leben gekommen sind. Dass sich die Hisbollah "feige hinter Kindern und Frauen versteckt", musste sogar UNO-Vize-Generalsekretär Jan Egeland feststellen, der an sich einer übertriebenen Israelsympathie relativ unverdächtig ist.

Offenbart die Weltöffentlichkeit nicht einen tief sitzenden, emotionalen Antisemitismus, wenn sie die Toten im Libanon nur zu gerne und vorschnell Israel zur Last legt, anstatt Ursache und Wirkung in diesem Konflikt und vor allem eine geschichtliche Entwicklung zu sehen, die noch viel Schlimmeres befürchten lässt, wenn nicht endlich die wirklich Verantwortlichen wirkungsvoll zur Rechenschaft gezogen werden? Kann die Tatsache, dass die arabische Welt die eigenen Opfer schamlos zur Schau stellt, während in Israel die Veröffentlichung der Bilder von Verletzten und Toten untersagt ist, so einfach vom Tisch gewischt werden?

Hat sich UNO-Generalsekretär Kofi Annan nicht selbst als unparteiischen Beobachter und möglichen Vermittler in diesem blutigen Konflikt disqualifiziert, wenn er, ohne eine Untersuchung abzuwarten, spontan den Israelis vorwarf, "bewusst" den Tod der vier UNIFIL-Beobachter verursacht zu haben? Spätestens die Bekanntgabe der E-Mail eines der getöteten UNIFIL-Soldaten an seinen Kommandeur sechs Tage vor seinem Tod, in dem er sich darüber beklagt hatte, dass die Hisbollah die UNIFIL als "Schutzschild" missbraucht, hätte doch einen Rücktritt Kofi Annans zur Folge haben müssen. Schon die jahrelange, stillschweigend hingenommene Aufrüstung der radikalen Hisbollah unter den Augen der UNIFIL ist ein Skandal, wenn man bedenkt, dass die Vereinten Nationen per Definition neutral sein wollen - ganz abgesehen davon, dass Hisbollahs Rüstungseifer explizit UNO-Resolutionen widersprach.

Müsste bei einer ausgewogenen Beurteilung der Lage nicht mit bedacht werden, wer wessen Existenzrecht grundsätzlich in Frage stellt; wo Süßigkeiten verteilt werden und vor Freude in die Luft geballert wird, wenn auf der anderen Seite Zivilisten ums Leben kommen und wer überhaupt davon profitiert, wenn in der westlichen Welt die Schreckensbilder über die Mattscheiben flimmern? Müsste bei einer Einschätzung der Lage nicht eine Rolle spielen, wer von der öffentlichen Meinung abhängig ist - und wem das Leiden der Menschen völlig gleichgültig (wenn nicht gar nützlich) ist? Ist es so nebensächlich, dass die Hisbollah nicht nur die Vernichtung des jüdischen Staates Israel offen propagiert, sondern bislang auch jeden Waffenstillstand ablehnt?

Lassen wir den gerade im Nahostkonflikt so viel bemühten Satz einmal gelten, dass der Terrorist der einen Seite der Freiheitskämpfer der anderen Seite ist. Aber wenn die Hisbollah tatsächlich die Freiheitskämpfer des Libanon sind, wenn ihre demokratische Legitimation ins Feld geführt wird, um den Terrorvorwurf Israels von der Hand zu weisen, und wenn sich vor allem die libanesische Regierung selbst mit dem Kampf der Hisbollah identifiziert - ist dann die israelische Reaktion gegen den libanesischen Staat und das libanesische Volk als Ganzes nicht gerechtfertigt? Immerhin hatte sich Israel auf die von der ach so neutralen UNO festgelegten Grenze zwischen den beiden Ländern zurückgezogen und hält, wenn meine Informationen richtig sind, ganze drei Libanesen in seinen Gefängnissen fest, die alle nachweislich israelisches Blut an Händen haben und rechtmäßig verurteilt wurden. Hätte die UNO die Umsetzung der von ihr verabschiedeten Resolution 1559, das heißt die Entwaffnung aller Milizen im Libanon und die Stationierung der nationalen Armee bis an die Südgrenze, bereits vor sechs Jahren effektiv eingefordert, wäre das Blutvergießen heute vielleicht vermieden worden.

Die Weltöffentlichkeit kritisiert nicht grundsätzlich Israels Vorgehen gegen die Hisbollah, sondern dass der jüdische Staat die Verhältnismäßigkeit im Kampf gegen die Miliz im nördlichen Nachbarland nicht gewahrt habe. Aber wenn Israel "proportional" zur Hisbollah ungezielt Raketen auf Ballungsgebiete feuerte, wenn Israel "proportional" dem libanesischen Volk, das die Hisbollah zu vertreten vorgibt, sein Existenzrecht abspräche, müssten dann die verantwortlichen israelischen Politiker und Militärs nicht vor ein Kriegsverbrechertribunal gestellt werden? Und fordert das irgend jemand umgekehrt für Scheich Hassan Nasrallah und seine Helfershelfer, die seit einem halben Jahrzehnt ein Arsenal von mehr als 13.000 Katjuscha-, Fadschar- und Silsal-Raketen aufgebaut haben, das selbst nur der berühmte Blinde mit dem Krückstock mit viel Phantasie als Defensivrüstung bezeichnen kann?

Die Hisbollah hat im Nahen Osten die Taktik der Selbstmordattentate eingeführt, bewiesen, dass sie funktioniert und erfolgreich in die Palästinensische Autonomie exportiert. Jetzt will sie offensichtlich den Kampf gegen die verhasste "zionistische Größe" bis zum kollektiven Selbstmord fortsetzen. Wie viele "Massaker" müssen eigentlich noch geschehen, bis die Welt ihre Verantwortung wahrnimmt und anfängt, den eigentlichen Drahtziehern des blutigen Wahnsinns im Nahen Osten wenigstens verbal Einhalt zu gebieten? Dabei darf nicht übersehen werden, dass die schwarzgewandeten Mullahs und ihre todesmutigen Gotteskämpfer nicht im luftleeren Raum operieren. Ohne Syrien und den Iran wären sie nicht funktionsfähig, geschweige denn effektiv.

Ich habe gelernt, dass man "Kriegstreiber" ist (so als würde ich nur sehnsüchtig darauf warten, dass mir und meiner Familie endlich iranische Langstreckenraketen auf den Kopf fallen…), wenn man auf die eigentlich Verantwortlichen in diesem Konflikt hinweist. Und ich habe mir auch die Ermahnungen angehört, die diejenigen Journalistenkollegen über sich ergehen lassen müssen, die nicht lauthals in das uralte Lied "Die Juden sind schuld" mit einstimmen. Aber ich frage mich doch, ob "dem Volk aufs Maul schauen" (was ich als guter Lutheraner nur zu gerne tun möchte!) gleich bedeutet, dass man dem Volk nach dem Maul schreiben muss - vor allem, wenn der Kopf mitsamt dem Maul tief im Sand und fern aller Realität des Weltgeschehens vergraben steckt.





   
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