Dresdner Neue Nachrichten vom 13.07.05
13.07.2005zurück
Welt der Heiligen Schrift zum Anfassen
Unbehauene Bruchsteine, aufgeschichtet zu einem Quader, 2,20 Meter hoch. So etwa hat bei den alten Israeliten ein Altar ausgesehen, im zweiten Buch Mose ist er beschrieben. Einziger Unterschied: die Altäre damals bestanden aus Kalkstein, dieser hier ist aus Lausitzer Granit, steht aber dafür nicht weit von Dresden entfernt - im neuen Bibelgarten in Oberlichtenau, einem Dorf bei Pulsnitz.
Maik Förster greift hinauf an einen der vier Ecksteine, die wie Hörner geformt sind. "Wer sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, fliehen konnte und sich so am Altar festhielt, der stand unter dem Schutz Gottes", erklärt er mit ausgestrecktem Arm. "Dann musste der Priester kommen und Recht sprechen. So wurden Geist und Logik der Blutrache durchbrochen - das erste Gericht der Welt." Hier bleibt keine Erklärung biblischen Geschehens abstrakt, hier wird die Heilige Schrift greifbar, im wahrsten Sinne des Wortes.
Maik Förster ist Touristikfachwirt und leitet gemeinsam mit seiner Frau Susanne den "cv-aktiv reisedienst", einen Verein, der mit dem Christlichen Verein Oberlichtenau zusammenhängt und über ein Reisebüro Fahrten vor allem nach Israel vermittelt. Dort, auf einer Reise, sei auch die Idee zum Bibelgarten entstanden, erzählt er. "An den Originalschauplätzen, mitten in dieser Landschaft, ergaben sich auf einmal interessante Gespräche über den Glauben, selbst mit Menschen, die keine Christen waren. Wahrscheinlich muss man es erst sehen, um die biblischen Inhalte ganz zu verstehen." Eine Touristik-Studentin schrieb in ihrer Diplomarbeit das Konzept, ermittelte auch, dass man sich in sächsischen Kirchgemeinden und unter Religionslehrern einen solchen Bibelgarten wünscht. Ausstellungsstücke in drei Bibelgärten in Israel dienten als Vorbild. Im Juni wurde der Oberlichtenauer Bibelgarten eröffnet.
Elf Objekte kann man sich hier anschauen und anfassen. Wer auf der niedrigen, ringförmigen Mauer der Tenne sitzt, in der Mitte das ausgebreitete Getreide, dem geht auf einmal der ursprüngliche Sinn biblischer Redewendungen auf wie etwa der von der Spreu, die vom Weizen getrennt wird. An einer Presse bekommt er demonstriert, wie aus Oliven Öl gewonnen wurde. An einem Steinbruchhebekran, wie damals große Steinquader bewegt wurden. Man kann sich anschauen, wie das Kreuz, an dem Jesus hingerichtet wurde, tatsächlich ausgesehen hat und wie das Grab beschaffen war, in das sein Leichnam gelegt wurde und das die Frauen am Ostermorgen leer vorfanden.
Wenn sich eine Besuchergruppe anmeldet, werden die beiden Schafe, die auf der Wiese weiden, in den aus Bruchsteinen gemauerten Pferch geführt. Eine Gruppe will hier beispielsweise eine Bibelarbeit zu Psalm 23 machen ("Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln."), den Geruch von Stroh in der Nase und das Blöken im Ohr. "Da wirkt so etwas natürlich viel intensiver", meint Förster.
Eindrücke vermitteln, indem alle menschlichen Sinne angesprochen werden - so lautet das Grundprinzip des Bibelgartens. Nicht nur sehen und tasten kann man hier, auch riechen: an einer Olive schnuppern, am Rauch eines Öllämpchens oder am Fladenbrot, das man hier in einem originalgetreuen Steinofen backen kann. Das kann man dann auch schmecken, zusammen mit einem ganzen biblischen Frühstück - Salat, Joghurt, Früchte, Honig, sogar den süßen Kiddush-Wein, den Juden am Sabbath trinken. Auch zu hören soll es bald etwas geben: eine Kassette mit Musik und Texten auf Aramäisch, jener Sprache, in der sich Jesus verständigte, liegt schon bereit.
Doch erst muss der Medienraum im Dachgeschoss des Hauses ausgebaut sein, in dem einst der Gärtner des benachbarten Barockschlosses wohnte. Das frühere Gewächshaus ist bereits zu einer Keramik-Werkstatt umgebaut worden. Neben Öllämpchen können Besucher hier sogar verkleinerte Modelle jener 1947 von Hirten entdeckten Tongefäße formen, in denen die berühmten Schriftrollen von Qumran lagerten, die ältesten Abschriften des Alten Testaments. "Da kann man dann auf einer kleinen Papierrolle einen Bibelspruch notieren und die in diesem Gefäß als Erinnerung mitnehmen", erläutert Förster. Dass ausreichend Besucher in seinen Bibelgarten kommen, darum macht er sich keine Sorgen. "Es gibt einen Hunger danach, sich diese Dinge anzuschauen und sie anzufassen."
Tomas Gärtner
Welt der Heiligen Schrift zum Anfassen
Unbehauene Bruchsteine, aufgeschichtet zu einem Quader, 2,20 Meter hoch. So etwa hat bei den alten Israeliten ein Altar ausgesehen, im zweiten Buch Mose ist er beschrieben. Einziger Unterschied: die Altäre damals bestanden aus Kalkstein, dieser hier ist aus Lausitzer Granit, steht aber dafür nicht weit von Dresden entfernt - im neuen Bibelgarten in Oberlichtenau, einem Dorf bei Pulsnitz.
Maik Förster greift hinauf an einen der vier Ecksteine, die wie Hörner geformt sind. "Wer sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte, fliehen konnte und sich so am Altar festhielt, der stand unter dem Schutz Gottes", erklärt er mit ausgestrecktem Arm. "Dann musste der Priester kommen und Recht sprechen. So wurden Geist und Logik der Blutrache durchbrochen - das erste Gericht der Welt." Hier bleibt keine Erklärung biblischen Geschehens abstrakt, hier wird die Heilige Schrift greifbar, im wahrsten Sinne des Wortes.
Maik Förster ist Touristikfachwirt und leitet gemeinsam mit seiner Frau Susanne den "cv-aktiv reisedienst", einen Verein, der mit dem Christlichen Verein Oberlichtenau zusammenhängt und über ein Reisebüro Fahrten vor allem nach Israel vermittelt. Dort, auf einer Reise, sei auch die Idee zum Bibelgarten entstanden, erzählt er. "An den Originalschauplätzen, mitten in dieser Landschaft, ergaben sich auf einmal interessante Gespräche über den Glauben, selbst mit Menschen, die keine Christen waren. Wahrscheinlich muss man es erst sehen, um die biblischen Inhalte ganz zu verstehen." Eine Touristik-Studentin schrieb in ihrer Diplomarbeit das Konzept, ermittelte auch, dass man sich in sächsischen Kirchgemeinden und unter Religionslehrern einen solchen Bibelgarten wünscht. Ausstellungsstücke in drei Bibelgärten in Israel dienten als Vorbild. Im Juni wurde der Oberlichtenauer Bibelgarten eröffnet.
Elf Objekte kann man sich hier anschauen und anfassen. Wer auf der niedrigen, ringförmigen Mauer der Tenne sitzt, in der Mitte das ausgebreitete Getreide, dem geht auf einmal der ursprüngliche Sinn biblischer Redewendungen auf wie etwa der von der Spreu, die vom Weizen getrennt wird. An einer Presse bekommt er demonstriert, wie aus Oliven Öl gewonnen wurde. An einem Steinbruchhebekran, wie damals große Steinquader bewegt wurden. Man kann sich anschauen, wie das Kreuz, an dem Jesus hingerichtet wurde, tatsächlich ausgesehen hat und wie das Grab beschaffen war, in das sein Leichnam gelegt wurde und das die Frauen am Ostermorgen leer vorfanden.
Wenn sich eine Besuchergruppe anmeldet, werden die beiden Schafe, die auf der Wiese weiden, in den aus Bruchsteinen gemauerten Pferch geführt. Eine Gruppe will hier beispielsweise eine Bibelarbeit zu Psalm 23 machen ("Der Herr ist mein Hirte; mir wird nichts mangeln."), den Geruch von Stroh in der Nase und das Blöken im Ohr. "Da wirkt so etwas natürlich viel intensiver", meint Förster.
Eindrücke vermitteln, indem alle menschlichen Sinne angesprochen werden - so lautet das Grundprinzip des Bibelgartens. Nicht nur sehen und tasten kann man hier, auch riechen: an einer Olive schnuppern, am Rauch eines Öllämpchens oder am Fladenbrot, das man hier in einem originalgetreuen Steinofen backen kann. Das kann man dann auch schmecken, zusammen mit einem ganzen biblischen Frühstück - Salat, Joghurt, Früchte, Honig, sogar den süßen Kiddush-Wein, den Juden am Sabbath trinken. Auch zu hören soll es bald etwas geben: eine Kassette mit Musik und Texten auf Aramäisch, jener Sprache, in der sich Jesus verständigte, liegt schon bereit.
Doch erst muss der Medienraum im Dachgeschoss des Hauses ausgebaut sein, in dem einst der Gärtner des benachbarten Barockschlosses wohnte. Das frühere Gewächshaus ist bereits zu einer Keramik-Werkstatt umgebaut worden. Neben Öllämpchen können Besucher hier sogar verkleinerte Modelle jener 1947 von Hirten entdeckten Tongefäße formen, in denen die berühmten Schriftrollen von Qumran lagerten, die ältesten Abschriften des Alten Testaments. "Da kann man dann auf einer kleinen Papierrolle einen Bibelspruch notieren und die in diesem Gefäß als Erinnerung mitnehmen", erläutert Förster. Dass ausreichend Besucher in seinen Bibelgarten kommen, darum macht er sich keine Sorgen. "Es gibt einen Hunger danach, sich diese Dinge anzuschauen und sie anzufassen."
Tomas Gärtner