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"Jüdische Allgemeine" Nr. 17/05 vom 28. April 2005 Contra

28.04.2005zurück
DÜRFEN CHRISTEN SEDERABENDE VERANSTALTEN?

Contra: Alles nur geklaut von Markus Himmelbauer katholischer Theologe

Weihnachten ist mehr! Bewußt lebende Christinnen und Christen wissen, dass ein geschmückter Baum und ein Berg Geschenke zu wenig sind. Dazu gehören die Adventzeit, das Beten und Singen zu Hause um den Adventkranz, die Stille bei den Gottesdiensten frühmorgens in der Kirche, die Bußfeier, natürlich spät nachts die Messe am Heiligen Abend. an kann aus einem Fest nicht einfach nur ein Element heraußreißen. Diese engagierten Christinnen und Christen wollen einige Monate später Tod und Auferstehung Christi ebenfalls ganz bewußt feiern. Es ist gut, dass sie dabei auch die jüdische Wurzel ihres Glaubens bedenken. Doch da fehlt ihnen plötzlich der ganzheitliche Blick. Da wird aus dem Zusammenhang gerissen und freihändig Passach gefeiert, was das Zeug hält. Koschere Speisen? Egal! Die Wohnung von Gesäuertem reinigen? Ach wo! Die Tora halten? Welche Gesetzlichkeit! Acht Tage feiern? Wir schaffen das an einem Abend! Eine Checkliste einer kirchlichen Organisation für eine Seder-Feier: Tischtuch, Gedecke, Kräuter, Wein... und natürlich eine Menora auf dem Tisch und Kippa für alle, damit es so richtig jiddelt. Das "Rezept für Mazzen": man nehme 60g Hefe, Olivenöl, Mehl...Ja, ein Pizzabrot wird´s. "Weil die hausfrauen von echten Mazzen enttäuscht sind und fürchten, mann könnte meinen, sie könnten es nicht besser", rechtfertigt sich der Verantwortliche für diesen Behelt, Irgendwelche hebräischen Lieder finden sich auch. Oder man singt eine christliche Vertonung des Schma Israel. Hoppala! "Höre israel, der Herr ist ein einiger Gott" Nein, nicht "einziger" steht da plötzlich, sondern "einiger"- schließlich will man ja die Dreifaltigkeit irgendwo unterbringen. Auch wenn Juden seit der zweiten Tempelzerstörung keine Lämmer mehr schlachten, Christinnen und Christen tischen unverdrossen Lammbraten auf, um dem letzten Abendmahl Jesu besonders nahe zu sein. Aber wenn schon historisch: Warum dürfen daran nicht nur bärtige Fischer und Zimmermänner aus Galiläa teilnehmen, sondern auch Frauen? Diejenigen, die solche Sederfeiern abhalten (und dabei nicht Judenmission betreiben wollen, was es leider auch gibt), tun dies aus vermeintlichem Respekt vor der jüdischen Tradition. Leider bleibt es beim gut gemeint. In seiner willkürlichen Auswahl ist es respektloses Nachäffen einer ehrwürdigen und zum Innersten des Judentums gehörenden Mizwa. Es spricht einiges dagegen, dass Jesu Abendmahl historisch eine Pessachfeier war. Weder am Ursprung des Abendmahls noch am Ursprung des christlichen Osterfestes steht ein Vorläufer des Pessach haggada. Auch kann ein jährlich gefeiertes Pessach nicht erklären, wie daraus eine wöchentliche Abendmahlfeier entstehen sollte. Der text der haggada entstand im frühen Mittelalter. Was vorher war, kann nur vermutet werden. Heute einen "Seder Jesu" zu begehen, ist das "Feiern einer Hypothese", wie es ein Liturgiewissenschaftler ausdrückte. Das christliche Geschehen vom Gründonnerstag bis zur Osternacht hat theologisch viel mit dem Exodus, der Befreiung zu tun. Warum kann dies nicht aus den eigenen reichen Traditionen heraus gefeiert werden- selbstverständlich mit Bezug auf die Quellen im Alten Testament? Doch wir lieben es, den Anderen folkloristisch nach unserem Bild zu vereinnahmen, seien es exotische Südseemenschen oder das Judentum, bei dem alles viel einfacher, ursprünglicher sei. Manche bedauern, dass es kaum Juden unter uns gibt, um mit ihnen einen Seder zu feiern. Der selektiven Wahrnehmung ist kein Ende: Über die christliche Beteiligung und Verantwortung daran wäre nachzudenken, die Wunde in unserer Mitte gilt es auszuhalten, und nicht die Leere mit Philosemitismus zuzukleistern. Was können wir für die Zukunft erwarten? dass protestantische Christinnen und Christen sich am Reformationstag ihrer Wurzel besinnen und eine katholische natürliche lateinische, vorkonziliare Eucharistiefeier abhalten? Und warum sollte das nteresse nur in die vergangenheit gerichtet sein? Vielleicht wollen auch Jüdinnen und Juden einmal erleben, wie sich ihre tradition weiterentwickelt hat und feiern nun ebenso ungefragt eine katholische Messe! Und wenn Muslime damit begännen? Die Hölle wäre los.

Info:
Sederabende in christlichen Gemeinden erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Viele erhoffen sich durch dieses "Nachfeiern" eine Besinnung auf "jüdische Wurzeln" ihres Glaubens. Allerdings sind solche Feiern höchst umstritten, christlich- jüdische Dialogorganisationen lehnen Sie in der Regel ab. Unter anderem, weil einige christliche Gruppen und sogenannte messianische Juden Sederabende gezielt nutzen, um die jüdische Tradition zu "christianisieren" und Juden mit dem Hinweis auf die vermeintliche "Weiterentwicklung" der Tradition zu missionieren.
 

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