Presseartikel Sächsische Zeitung
26.03.2005zurück
Oberlichtenau. Der Christliche Verein hatte am Gründonnerstag zum Seder-Mahl geladen.
Sieben Kerzen entzündet Susanne Förster. Auf der Menora, dem jüdischen Leuchter, strahlen sie im historischen Fasskeller des Christlichen Vereins Oberlichtenau. "Gepriesen bist du Herr, unser Gott, König des Himmels und der Erde, der du uns auserwählt hast unter allen Völkern", beginnt das Seder-Mahl am Gründonnerstag. Es erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, an seine entbehrungsreiche Befreiung.
In Hufeisenform sitzen Gäste zu Tisch. Sie lauschen gespannt. "Es ist nicht hundertprozentig original. Zu Jesus Zeiten saß man nicht zu Tisch - man lag zu Tisch", verdeutlicht Susanne Förster. Tische und Besteck waren nicht üblich. Natürlich auch kein Trickfilm-Ausschnitt für Kinder. Er zeigt später den Weg der Juden - verfolgt vom Pharao und seinen Häschern - durchs Rote Meer. "In Israel dauert das Seder-Mahl mindestens drei Stunden", schildert Maik Förster, Ehrenvorsitzender des Vereins. "Insgesamt gehören vier Becher Wein dazu." Als Zeichen der vier Versprechen Gottes: Gott will die Israeliten aus Ägypten führen; Gott will sie befreien; Gott will sie erlösen; Gott will sie als sein Volk annehmen. Original israelischer Kiddush-Wein füllt später die Becher. Die, so will es die Überlieferung, darf man nur mit der rechten Hand trinken. "Kiddush heißt Segen", erfahren die Gäste. "Es ist genau der Wein, den die Juden zum Schabbat trinken."
Symbolische Zutaten
Zum Seder-Mahl gehören noch weitere symbolische Zutaten: drei Stück Matzen-Brot als Zeichen für die Priester, die Leviten und das Volk, das Stück einer am Rost gebratenen Lammkeule als Zeichen des dargebrachten Opferlamms, ein Ei (steinhart gekocht; hier als Symbol des Sterbens), Möhren und grüner Salat als Früchte der Erde, Meerrettich und Petersilie als "bittere Kräuter" zur Erinnerung an die Gefangenschaft und die 40 Jahre währenden Wanderschaft der Juden sowie eine Schale Salzwasser. Sie symbolisiert die vielen Tränen, den unendlichen Schweiß der Sklaven. Eine Schüssel mit Charosset, einem bräunlichen Gemisch aus Nüssen, Äpfeln, Wein und Zimt verdeutlicht den Mörtel, den die Juden für den Pharao mischen mussten.
Schritt für Schritt nehmen die Gäste all dies zu sich. Stets verknüpft mit Erläuterungen. Dem eigentlichen Sinn. "Durch so ein Festmahl wird die jüdische Geschichte lebendig gehalten. Für die Juden war der Auszug aus Ägypten erst gestern", sagt Maik Förster, der das Seder-Mahl in Israel erlebte. Die Gäste erfahren auch Näheres zur hebräischen Sprache und Denkweise. Diese lebt von "Wörtern mit Gegensinn". Zwei oft entgegengesetzte Begriffe bilden eine Einheit. Etwa Tod und Leben. Zukunft heißt nach uns kommend. Zeit steht als Begriff allen Geschehens. "Der Hebräer denkt dynamisch. Und durch und durch in Beziehungen", erzählt er von Israel.
Später brechen die Gäste symbolisch das Matzenbrot. Maik Förster zeigt ein Originaltuch aus Israel. Hier liegen die drei Brote drin. "Man bricht das mittlere Brot. Diese Handlung ist der Vorläufer des Abendmahls, so wie wir Christen es heute weiterführen." Er erinnert an die Stelle in der Bibel als Jesus sagt: "Ich bin das Brot." Gegessen wird es in Israel sowohl mit dem süßen Charosset als auch mit scharf-bitterem Meerrettich. "Es soll verdeutlichen: Freude und Leid gehören zusammen."
Verinnerlichte Geschichte
Den Kindern kommt eine besondere Stellung zu. Fragt doch der Jüngste in der Familie: Warum eigentlich feiern die Juden dieses Fest? Wodurch unterscheidet es sich von allen anderen Festen? Der Hausvater erinnert an die Ursprünge der Geschichte. An die einstigen Entbehrungen und Leiden als Sklaven. "Auf diese Weise essen die Juden ihre Geschichte ,in sich hinein'", erläutert Susanne Förster später, als die Gäste symbolisch Hammelfleisch mit Bohnen zu sich nehmen. Eine im wahrsten Sinne verinnerlichte Geschichte. "Die Juden ehren sie. Sie ehren das, was damals tatsächlich passiert ist: der Auszug aus Ägypten, die Befreiung von der Sklaverei", meint Petra Hoppe aus Kamenz. Das Seder-Mahl in Oberlichtenau sieht sie als Bereicherung für das Allgemeinwissen, als Bildung an. "Judentum und Christentum sind doch eng verbunden", bringt es Tochter Friederike auf den Punkt. Auch ihr imponiert, wie stark die Juden ihre Geschichte durch das Seder-Mahl verinnerlichen. "Die Beziehung zur Bibelgeschichte ist stark. Wir wollten es vor allem den Kindern nahe bringen", schildern Ilona und Thomas Müller aus Reichenbach. Julia (derzeit Konfirmandin), Markus und Jennifer haben aufmerksam gelauscht und sich wie die Eltern auf Ostern eingestimmt.
Der Verein, so Maik Förster, sieht das Seder-Mahl auch als Übung. Will er es doch später im entstehenden Bibelgarten mit erläutern. "Es sind unsere Wurzeln als Christen. Die Geschichte zu kennen, ist ein Transmissionsriemen für den Glauben", betont er. Vor zwei Jahren hat er in der Familie selbst privat erstmals das Seder-Mahl praktiziert. Nach einem Jahr fragte er die Kinder danach. "Das Erstaunliche: Sie wussten noch alle Details. So kriegen Kinder Geschichte mit."
Oberlichtenau. Der Christliche Verein hatte am Gründonnerstag zum Seder-Mahl geladen.
Sieben Kerzen entzündet Susanne Förster. Auf der Menora, dem jüdischen Leuchter, strahlen sie im historischen Fasskeller des Christlichen Vereins Oberlichtenau. "Gepriesen bist du Herr, unser Gott, König des Himmels und der Erde, der du uns auserwählt hast unter allen Völkern", beginnt das Seder-Mahl am Gründonnerstag. Es erinnert an den Auszug des Volkes Israel aus Ägypten, an seine entbehrungsreiche Befreiung.
In Hufeisenform sitzen Gäste zu Tisch. Sie lauschen gespannt. "Es ist nicht hundertprozentig original. Zu Jesus Zeiten saß man nicht zu Tisch - man lag zu Tisch", verdeutlicht Susanne Förster. Tische und Besteck waren nicht üblich. Natürlich auch kein Trickfilm-Ausschnitt für Kinder. Er zeigt später den Weg der Juden - verfolgt vom Pharao und seinen Häschern - durchs Rote Meer. "In Israel dauert das Seder-Mahl mindestens drei Stunden", schildert Maik Förster, Ehrenvorsitzender des Vereins. "Insgesamt gehören vier Becher Wein dazu." Als Zeichen der vier Versprechen Gottes: Gott will die Israeliten aus Ägypten führen; Gott will sie befreien; Gott will sie erlösen; Gott will sie als sein Volk annehmen. Original israelischer Kiddush-Wein füllt später die Becher. Die, so will es die Überlieferung, darf man nur mit der rechten Hand trinken. "Kiddush heißt Segen", erfahren die Gäste. "Es ist genau der Wein, den die Juden zum Schabbat trinken."
Symbolische Zutaten
Zum Seder-Mahl gehören noch weitere symbolische Zutaten: drei Stück Matzen-Brot als Zeichen für die Priester, die Leviten und das Volk, das Stück einer am Rost gebratenen Lammkeule als Zeichen des dargebrachten Opferlamms, ein Ei (steinhart gekocht; hier als Symbol des Sterbens), Möhren und grüner Salat als Früchte der Erde, Meerrettich und Petersilie als "bittere Kräuter" zur Erinnerung an die Gefangenschaft und die 40 Jahre währenden Wanderschaft der Juden sowie eine Schale Salzwasser. Sie symbolisiert die vielen Tränen, den unendlichen Schweiß der Sklaven. Eine Schüssel mit Charosset, einem bräunlichen Gemisch aus Nüssen, Äpfeln, Wein und Zimt verdeutlicht den Mörtel, den die Juden für den Pharao mischen mussten.
Schritt für Schritt nehmen die Gäste all dies zu sich. Stets verknüpft mit Erläuterungen. Dem eigentlichen Sinn. "Durch so ein Festmahl wird die jüdische Geschichte lebendig gehalten. Für die Juden war der Auszug aus Ägypten erst gestern", sagt Maik Förster, der das Seder-Mahl in Israel erlebte. Die Gäste erfahren auch Näheres zur hebräischen Sprache und Denkweise. Diese lebt von "Wörtern mit Gegensinn". Zwei oft entgegengesetzte Begriffe bilden eine Einheit. Etwa Tod und Leben. Zukunft heißt nach uns kommend. Zeit steht als Begriff allen Geschehens. "Der Hebräer denkt dynamisch. Und durch und durch in Beziehungen", erzählt er von Israel.
Später brechen die Gäste symbolisch das Matzenbrot. Maik Förster zeigt ein Originaltuch aus Israel. Hier liegen die drei Brote drin. "Man bricht das mittlere Brot. Diese Handlung ist der Vorläufer des Abendmahls, so wie wir Christen es heute weiterführen." Er erinnert an die Stelle in der Bibel als Jesus sagt: "Ich bin das Brot." Gegessen wird es in Israel sowohl mit dem süßen Charosset als auch mit scharf-bitterem Meerrettich. "Es soll verdeutlichen: Freude und Leid gehören zusammen."
Verinnerlichte Geschichte
Den Kindern kommt eine besondere Stellung zu. Fragt doch der Jüngste in der Familie: Warum eigentlich feiern die Juden dieses Fest? Wodurch unterscheidet es sich von allen anderen Festen? Der Hausvater erinnert an die Ursprünge der Geschichte. An die einstigen Entbehrungen und Leiden als Sklaven. "Auf diese Weise essen die Juden ihre Geschichte ,in sich hinein'", erläutert Susanne Förster später, als die Gäste symbolisch Hammelfleisch mit Bohnen zu sich nehmen. Eine im wahrsten Sinne verinnerlichte Geschichte. "Die Juden ehren sie. Sie ehren das, was damals tatsächlich passiert ist: der Auszug aus Ägypten, die Befreiung von der Sklaverei", meint Petra Hoppe aus Kamenz. Das Seder-Mahl in Oberlichtenau sieht sie als Bereicherung für das Allgemeinwissen, als Bildung an. "Judentum und Christentum sind doch eng verbunden", bringt es Tochter Friederike auf den Punkt. Auch ihr imponiert, wie stark die Juden ihre Geschichte durch das Seder-Mahl verinnerlichen. "Die Beziehung zur Bibelgeschichte ist stark. Wir wollten es vor allem den Kindern nahe bringen", schildern Ilona und Thomas Müller aus Reichenbach. Julia (derzeit Konfirmandin), Markus und Jennifer haben aufmerksam gelauscht und sich wie die Eltern auf Ostern eingestimmt.
Der Verein, so Maik Förster, sieht das Seder-Mahl auch als Übung. Will er es doch später im entstehenden Bibelgarten mit erläutern. "Es sind unsere Wurzeln als Christen. Die Geschichte zu kennen, ist ein Transmissionsriemen für den Glauben", betont er. Vor zwei Jahren hat er in der Familie selbst privat erstmals das Seder-Mahl praktiziert. Nach einem Jahr fragte er die Kinder danach. "Das Erstaunliche: Sie wussten noch alle Details. So kriegen Kinder Geschichte mit."